
Frankreich: La Vie en Rosé
Es gibt ein europäisches Land, in dem letztes Jahr erstmals mehr Rosé als Weißwein getrunken wurde. Soviel sei verraten: Polen war es nicht. Und Schweden auch nicht.
Wer hat’s erfunden? Les Français naturellement! Der erste Rosé mit internationalem Ruhm war der Clairet, der "Leichte" aus Bordeaux. Dieser Mix aus roten und weißen Trauben dominierte über Jahrhunderte als Clairet die Londoner Pub-Szene und wurde in Italien als Chiaretto kopiert. Heute hat sich das Bordelais mehr auf die gewichtigen Gewächse verlegt, doch in der benachbarten Gascogne lebt die Clairet-Tradition fort. Eine der besten Adressen ist das Städtchen Condom – ein Schelm, wer hier an anderes denkt – woher unser brandneuer Rosé "Dona Flora" stammt – okay, jetzt wird es wirklich schwer, an Zufall zu glauben. Das Besondere an den Rosés von der französischen Atlantikküste ist, dass hier neben Merlot auch Trauben wie der Cabernet Franc am Start sind, der nun wirklich nicht zu Schmusereben zählt. Eine feine Cassiswürze und viel atlantische Mineralität machen die Nachfolger des Clairet zu den Charakterköpfen unter den Rosés. Dona Flora hin, Condom her.
Die große Zeit des Clairet ist vergangen, das Mischen von Rot und Weiß weinrechtlich längst nicht mehr erlaubt. Die Geburtsstunde heutiger Rosés schlug in der südfranzösischen Provence. Das treibende Moment dabei war eines der letzen ungelösten kulinarischen Probleme der Menschheit: Was bitte kommt ins Glas, wenn man auf einer abendlichen Terrasse am Marseiller Hafen sitzt, den Blick über das Meer und das pralle Leben schweifen lässt und eine Bouillabaisse geduldig ihrer Bestimmung harrt? Weißwein? Zur Suppe immer heikel. Ein Roter? Definitiv nicht filigran genug. In dieser dramatischen Situation brachte ein altes önologisches Verfahren den Durchbruch: Saignée, Aderlass. In schwachen Jahren zogen Winzer ein Teil vom Rotweinmost ab. So konnten sie beim Vergären der Maische das Verhältnis von Saft zu Schalen, in denen der Geschmack sitzt, positiv verändern. Der abgezogene Most wurde zu Roséwein vergoren. Die Winzer hielten diesen Wein für nicht weiter erwähnenswert und gaben ihn Knechten und Angehörigen als Deputat. Was für ein Irrtum! Denn irgendwann fand so ein Exemplar den Weg in ein Fischrestaurant, dann in einen modernen Kühlschrank, dann auf den Tisch und dann hat es Zoom gemacht.
Die Provence ist heute weltweit die Roséregion schlechthin und die Winzer verwenden nur noch erstklassiges Traubengut für ihr Spitzenprodukt. Als eines der besten Terroir gelten die Hänge des legendären Tour-de-France Berg Mont Ventoux. Genau hier haben wir den Ventoux Sud Rosé für Sie entdeckt, den wir Ihnen neu vorstellen. Vom Saignée-Verfahren ist man in der Provence wieder abgekommen. Zum einen, weil vor lauter Ausbluten gar kein Rotwein mehr übrig bliebe. Zum anderen, weil der ideale Erntezeitpunkt für Rosé vor dem eines Rotweins liegt. Spät gelesene Trauben erbringen zu plumpe und alkoholstarke Weine. Wem selbst die Rosé moderner Machart noch zu schwer für den sommerlichen Genuss sind, dem legen wir den federleichten "Plume" ans Herz. Vincent Pugibet aus dem Languedoc entzieht seinen Weinen mit einem einmaligen Verfahren nachträglich einen Teil des Alkohols und bietet so vollen Genuss bei 9% Vol. Alkohol. Kurz erwähnt sei noch der Tarani Rosé aus der Nähe von Toulouse. Der ist ebenfalls neu und so dermaßen gut und günstig – der schafft es auch ohne viele Worte.
Bleibt die Antwort auf die Eingangsfrage: Ja, in Frankreich erreichte Rosé-Wein 2012 erstmals einen Marktanteil von 28% und lag damit knapp vor den Weißen. Woran das liegt? Die Franzosen machen einfach die besten Rosé! Wir laden Sie herzlich ein, sich davon zu überzeugen.
Gotthard Scholz
(WEIN NEWS Juli 2013)